Die sozial- und kulturanthropologische Feldforschung – Fallbeispiel 2

Sie forschen zu Mensch-Wald-Beziehungen in Indonesien bei einer ländlichen Gemeinschaft. Mensch-Umweltbeziehungen sind dort durch die lokale Religion, das Christentum und naturwissenschaftliche Vorstellungen geprägt. Nach ein paar Wochen werden Sie von Ihren Forschungsteilnehmer*innen zu einem Gottesdienst eingeladen. Sie nehmen die Einladung an, stellen aber bald fest, dass heute nicht der Dorfpfarrer die Predigt hält, sondern ein Pfingstkirchlicher Missionar, der aus einer anderen Region Indonesiens zu Gast ist.
Während Sie bisher im Dorfalltag keine Spannungen zwischen dem Christentum und der lokalen Religion bemerkt haben, nutzt der Pfingstkirchliche Missionar drastische Worte, um die lokale Religion abzuwerten. Als er von lokalen Traditionen als „Teufelszeug“ spricht, das überwunden werden müsse, werden Sie wütend. Sie wenden sich Ihren Forschungsteilnehmer*innen zu, die Sie zu dem Gottesdienst eingeladen haben – diese sitzen jedoch ruhig neben Ihnen auf der Bank und scheinen nicht im Mindesten empört. Sie fragen sich, wie Sie mit der Situation umgehen sollen.

Mögliche Handlungsalternativen:

Handlungsmöglichkeit 1

Sie halten die Situation nicht länger aus, und unterbrechen die Predigt, obwohl das sehr unhöflich ist. Sie stehen auf und bitten darum, respektvoller über die autochthone Religion und das lokale Wissen vor Ort zu sprechen und die Vielfalt religiöser und kultureller Praktiken zu akzeptieren.

Handlungsmöglichkeit 2

Sie schlucken Ihren Ärger herunter und beschließen sich am Verhalten Ihrer Forschungsteilnehmer*innen zu orientieren. Sie bleiben ruhig sitzen und nehmen sich vor, nach dem Gottesdienst mit Ihren Forschungsteilnehmer*innen zu sprechen und sich darüber auszutauschen, wie sie die Situation erlebt haben.

Handlungsmöglichkeit 3

Sie versuchen, Ihre eigenen Gefühle und die Ihnen auf der Zunge liegende Kritik zurückzuhalten, und sich ganz auf die Situation einzulassen, um aufmerksam das Geschehen und seine Dynamiken beobachten zu können. Wenn den Gottesdienstbesucher*innen die Predigt nicht gefällt, werden sie ihre Kritik schon bei passender Gelegenheit zum Ausdruck bringen.

Handlungsmöglichkeit 4

Sie würden am liebsten den Gottesdienst verlassen, möchten aber die Forschungsteilnehmer*innen, die Sie dazu eingeladen haben, nicht durch Ihr unhöfliches Benehmen beschämen. Sie bleiben also ruhig sitzen und nehmen sich aber vor, im Anschluss an den Gottesdienst das Gespräch mit dem Missionar zu suchen und ihn mit Ihrer Kritik zu konfrontieren.