Öffentliches Recht: Normen
Fall: Alkoholwerbung
Auszug aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland:
Art 2 GG
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(…)
Artikel 3 GG
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(…)
Artikel 5 GG
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein
zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(…)
Artikel 12 GG
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
Artikel 14 GG
Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(…)
Sachverhalt: Keine Macht der (Alkohol-)Werbung?
Laut einer aktuellen Erhebung hat der Alkoholkonsum unter Jugendlichen signifikant zugenommen. Infolgedessen sind durch den Verzehr von Wein, Bier und Spirituosen bedingte gesundheitliche Schäden vermehrt aufgetreten.
Vor diesem Hintergrund hielt es der Gesetzgeber für bedenklich, dass Hersteller alkoholischer Getränke ihre Produkte verstärkt durch umfangreiche Werbekampagnen anpreisen, zumal diese ganz gezielt auf jugendliche Konsumenten abge-
stimmt sind und den Alkoholverzehr als Ausdruck eines positiven Lebensgefühls und als „gesellschaftliche Verpflichtung“ darstellen. Nachdem die Beeinflussbarkeit Jugendlicher durch die Medien bereits in mehreren Studien nachgewiesen und zudem eine kausale Verbindung zwischen der erhöhten Frequenz an Werbung und dem Anstieg des Alkoholkonsums bei Jugendlichen festgestellt wurde, sah der Bundestag Handlungsbedarf und beschloss mit großer Mehrheit das „Gesetz zur Bekämpfung durch Alkohol bedingter Suchtgefahren“ (kurz: BASG). Dieses Gesetz verbietet jede Werbung für alkoho-
lische Getränke. Gesetzesverstöße werden je nach Schweregrad als Ordnungswidrigkeit oder sogar Straftat verfolgt.
Das BASG wurde schließlich nach ordnungsgemäßer Beteiligung des Bundesrates ausgefertigt und verkündet. Es trat am 01.08.2010 in Kraft.
Die in Deutschland tätigen Hersteller alkoholischer Getränke sowie die Interessenvertretung der deutschen Werbeagen-
turen sind angesichts des neuen Gesetzes entrüstet. Sie fürchten erhebliche Gewinneinbußen und vertreten die Auffas-
sung, dass das BASG gegen die Verfassung verstoße und die Grundrechte, allen voran das Grundrecht auf Meinungs-
freiheit, der Fabrikanten bzw. Werbeagenturen verletze.
Ihrer Ansicht nach würden alternative Präventionsmaßnahmen, wie z.B. Warnhinweise auf Flaschen oder Aufklärungs-
kampagnen in Schulen, genügen um die Jugend zu schützen. Dabei würden die Grundrechte der Hersteller alkoholischer Getränke stärker geschont. Der Spirituosenfabrikant Frank M., dessen Hauptzielgruppe junge Konsumenten sind, beabsichtigt gerichtlich gegen das BASG vorzugehen. Er findet es insbesondere ungerecht, dass nur Werbung für Alkohol, aber nicht auch für Zigaretten und Süßigkeiten verboten werde, die seiner Meinung nach eine vergleichbare Gefahr für die Gesundheit darstellten wie Alkohol.
Frank M. sucht deshalb Rat bei einem befreundeten Juristen, der jedoch bezweifelt, dass kommerzielle Werbung in den Schutzbereich des Grundrechts der freien Meinungsäußerung fällt. Seiner Ansicht nach gehe es bei Werbung weniger um argumentative Überzeugung zur Meinungsbildung als vielmehr schlicht um die Anregung zum Konsum. Im Übrigen sei Frank M.´s Reklame lediglich „Emotionswerbung“, die weniger der spezifischen Produktinformationen über die Qualität der Ware dient. Zudem solle das Grundrecht auf Meinungsfreiheit insbesondere den politischen und gesellschaftlichen Diskurs ermöglichen, aber nicht für wirtschaftliche Zwecke „missbraucht“ werden.
Frank M. widerspricht seinem Freund und argumentiert, dass seine Werbung durchaus einen wertenden, meinungs-
bildenden Inhalt hat, der über das bloße Anpreisen des Produkts hinausgeht, schließlich wolle er doch die Kunden davon überzeugen, dass seine Getränke Ausdruck eines positiven Lebensgefühls seien. Warum sollte an den Verstand gerichtete Werbung grundrechtlich geschützt sein, an die Gefühle und das Unterbewusstsein gerichtete Werbung aber nicht? Ferner sehe er nicht ein, warum die Kommunikation im Wirtschaftsleben, die doch ebenfalls einen wichtigen Bestandteil der Gesellschaft darstelle, gegenüber dem politische Diskurs, weniger schutzbedürftig sein soll.
Frank M. legt deshalb Verfassungsbeschwerde gegen das BASG beim Bundesverfassungsgericht ein.
Bitte lesen Sie sich zunächst den Sachverhalt durch und beantworten Sie dann die acht Fragen auf den folgenden Seiten.
Bitte lesen Sie sich die folgenden Fragen durch und versuchen Sie, diese mit Hilfe der Zusatzinformationen und Normen zu beantworten.
Fragen zur Begründetheit der Verfassungsbeschwerde:
Frage 1: Welche Grundrechte des Beschwerdeführers Frank M. könnten durch das BASG möglicherweise betroffen, nicht unbedingt aber verletzt sein? Es können mehrere Antworten richtig sein.