Überlieferungsgeschichte und Paläographie – Aufgabe 2 von 2

Aufgabe 2: Transkription

In der Abbildung finden Sie einen Auszug aus einer mittelalterlichen Handschrift. Transkribieren Sie den Text.
Es geht dabei nicht darum, alles exakt richtig zu entschlüsseln, sondern um eine spielerische Auseinandersetzung mit der Thematik!

Mindestens 8 Zeilen sollten Sie transkribieren, damit die Aufgabe als bearbeitet gilt. Wenn Sie Spaß daran haben, transkribieren Sie gerne alles.

In der Abbildung einen Auszug aus einer mittelalterlichen Handschrift.

Begründung

Der Ausschnitt entstammt einer um 1440 entstandenen Handschrift; die Ornamente dieser Seite lassen darauf schließen, dass es sich um eine recht prachtvolle Handschrift handelt.

Der Schriftspiegel beschränkt sich auf etwa drei Viertel der Blattbreite, ansetzend am linken Rand; auch am unteren Blattrand ist ein schmalerer Streifen freigelassen. Eine Paginierung oder Foliierung ist nicht zu erkennen.

Das eigentliche Schriftfeld ist zur oberen, linken und unteren Seite hin umgeben durch teils monumentalere, teils filigranere florale Ornamente, die farbig, auch golden ausgestaltet sind.

Die 19-zeilige Schrift, deren Linierung schwach zu sehen ist, ist hauptsächlich in schwarzer Tinte geschrieben; lediglich die Auszeichnungsschrift (Z.1) sowie zwei liturgisch-funktionale Worte sind rubriziert, wobei die rote Tinte leicht ausgeblichen scheint.

Die Zeilen zwei bis acht des an sich nicht in Spalten untergliederten Schriftfeldes sind über die Hälfte eingenommen von einer ebenfalls in strahlenden Farben ausgeführten Illustration, die einen Heiligen (vermutlich den in der Auszeichnungsschrift genannten Bartholomäus) auf einer Art Balkon vor grüner Landschaft zeigt. Eine bunte Initiale erstreckt sich weiterhin über den Beginn der Zeilen 15 und 16.

Die Schrift dieses lateinischen Textes ist sehr gleichmäßig und stammt offenbar von einer geübten Hand. Es handelt sich um eine Textualis in hohem Stilisierungsgrad, die mit ihren flächigen, relativ dicht geschriebenen, aber nach der Vertikale strebenden Buchstaben im Wesentlichen den „Gewebeeindruck“ erfüllt, auch wenn einzelne Schäfte etwas stärker nach rechts zu fallen scheinen.

Es finden sich in diesem Schriftauszug Köpfchen-a (z.B. sancto Z.1) neben Kasten-a (Antiphona Z.1), Schaft-r (eritis Z.2) neben Bogen-r (orbis Z.14) sowie langes s neben rundem s (sonus Z.12). Zu bemerken sind weiterhin zum Einen die verschiedenen, aber nicht übermäßig gebrauchten Abkürzungen (z.B. ho(m)i(n)es Z.4, sup(er)averint Z.5f., nome(n) Z.9, tanq(uam) Z.9), zum Anderen die Bogenverbindungen, die besonders auffällig bei ho auftreten (bartholomeo Z.1, hominis Z. 10), aber auch bei de (oderint Z.3f., gaudete Z.10) bzw. De (Z.1) und vo (vos Z.6) zu beobachten sind.

Das t ragt leicht in den Oberlängenbereich hinein, was es vom c deutlich unterscheidet. Langes s und f stehen jeweils auf der Grundlinie und sind am unteren Schaftende leicht nach rechts gebrochen bzw. umgebogen. Diese letztere Eigenschaft besitzen auch die Buchstaben i, n, m, t und u. Beim h trifft dies nur auf den linken Schaft zu; der Bogen ist spitz bis unter die Grundlinie ausgezogen. Auch der rechtsschräge Schaft des x reicht als Haarstrich bis in den Unterlängenbereich hinein. Die Unterlänge des g schließt sich durch einen Haarstrich; die Unterlängen von p und q sind unten leicht gespalten. Eine ähnliche Gestaltung findet sich an den Schäften von b, h und l, die nach oben hin eine (allerdings stärkere) Gabelung aufweisen. Angesichts dieser Eigenschaften, insbesondere aber der Buchstaben im Mittelband, die am oberen Schaftende regelmäßig eine Brechung bzw. angesetzte Quandrangeln, am unteren hingegen wahlweise Quadrangeln oder eine Biegung aufweisen, ist diese Handschrift wohl als textus semiquadratus bzw. semifractus einzuordnen und eine eher nördliche Provenienz anzunehmen.