Die Annahmen des allgemeinen ökonomischen Verhaltensmodells
Wir stellen Ihnen nun die Annahmen des allgemeinen ökonomischen Verhaltensmodells genauer vor. Bitte lesen Sie die Textabschnitte durch und beantworten Sie die Fragen:
Die Annahme des methodologischen Individualismus
Der methodologische Individualismus erklärt das Individuum zur allein maßgebenden Handlungseinheit; jedes Handeln ist individuelles handeln. Das gilt in der Finanzwissenschaft namentlich auch für den Staat. Dieser handelt nicht als Gesamtheit oder Organ, sondern aufgrund der Entscheidung eines oder mehrerer Individuen. Durch die Annahme des methodologischen Individualismus stellt sich das allgemeine ökonomische Verhaltensmodell in Gegensatz zu allen Formen organischer und funktionalistischer Staatsauffassungen, die von der Möglichkeit eines eigenständigen „Staatshandelns“ ausgehen.
Aus: Blankart, C.B.: Öffentliche Finanzen in der Demokratie, 7. Aufl., München 2008, Kap. 1.
Die Eigennutzannahme
Die Eigennutzannahme besagt, dass die Individuen in der Regel nach ihrem eigenen Vorteil entscheiden und handeln. Altruistisches oder bösartiges Verhalten wird zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Aber es wird angenommen, dass in den meisten Fällen – und nur um diesen Durchschnitt geht es hier – das egoistische, nutzenmaximierende Verhalten überwiegt. Oder umgekehrt gesagt, Menschen handeln weder durchweg altruistisch noch durchweg bösartig.
Aus: Blankart, C.B.: Öffentliche Finanzen in der Demokratie, 7. Aufl., München 2008, Kap. 1.
Um die Finanzpolitik zu erklären und im Großen und Ganzen zu verstehen, kann von diesen extremen Charakteren abstrahiert werden. Es genügt, den ganz normalen Egoisten zu betrachten. Er ist repräsentativ für die meisten Menschen und daher dazu geeignet, Grundlage der Finanzwissenschaft als Erkenntniswissenschaft zu bilden.
Die Annahme gegebener Präferenzen und veränderlicher Beschränkungen
Das Eigennutzstreben führt nicht dazu, dass ein Mensch alle seine Wünsche befriedigen kann. Er maximiert seinen Nutzen unter den Beschränkungen von Güterangebot, Preisen, Kosten, Einkommen, Geboten, Verboten usw. Typisch für die Ökonomie ist aber, dass die Präferenzen als gegeben und die Beschränkungen als veränderlich angesehen werden.
Aus: Blankart, C.B.: Öffentliche Finanzen in der Demokratie, 7. Aufl., München 2008, Kap. 1.
Wenn sich also das individuelle Verhalten ändert, so wird die Ursache hierfür in einer Veränderung der Beschränkungen und nicht in einer Veränderung der Präferenzen gesehen. Das Individuum verhält sich anders, weil sich seine äußeren Verhältnisse geändert haben, und nicht weil es ein anderer Mensch mit anderen Präferenzen geworden ist. Letzteres ist zwar auch möglich, wird aber als Ausnahme angesehen: denn Präferenzen bilden sich langfristig im Zuge der Sozialisation. Sie sind daher im Großen und Ganzen stabiler als die äußeren Verhältnisse, die sich schon kurz- bis mittelfristig verändern können.